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Wege aus der grünen Wüste

Unter der Überschrift „Wege aus der grünen Wüste – ein Plädoyer für mehr Naturschutz in der Agrarlandschaft“ lud die NABU-Gruppe Schleswig am 10.1.2019 zur zweiten Veranstaltung innerhalb ihrer neuen Vortragsreihe ein.

Rainer Borcherding, Dr. Claudia Schreier, Widukind Glodeck (v.l.) - Foto: NABU Schleswig
Rainer Borcherding, Dr. Claudia Schreier, Widukind Glodeck (v.l.) - Foto: NABU Schleswig

Dem Thema wird offenbar große Wichtigkeit eingeräumt, denn rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten die Abendveranstaltung. Zwei ausführliche und ansprechend gestaltete Plakatausstellungen zu den Themen Agrarpolitik und Insektensterben dienten dazu, in das Thema einzustimmen, bevor der erste Vorsitzende, Widukind Glodeck, den Abend offiziell eröffnete.

 

Zunächst ging Dr. Claudia Schreier in Ihrem Beitrag auf die Situation der Vögel ein. Während sich die Bestände einiger Großvogelarten wie Schwarzstorch und Seeadler dank umfangreicher Schutzmaßnahmen erholen konnten, sind insbesondere die kleineren Feldvogelarten des Offenlandes von einem massiven Rückgang betroffen, sowohl in Hinblick auf die Individuenzahlen als auch durch das Verschwinden einst häufiger Arten. Dabei ist ein enger Zusammenhang zwischen dem Artensterben und der stetig zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft zu sehen, die durch die Möglichkeiten der modernen Digitalisierung noch weiteren Vorschub erhält.

Dr. Schreier zeigte in Ihrem Vortrag auf, wie stark die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen der Landwirte durch die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union (EU) geprägt werden. Die EU hätte die Möglichkeit, durch ihre Rahmenrichtlinien verstärkt jene Betriebe zu fördern, die auf Nachhaltigkeit, Anbaudiversifizierung und Naturschutz setzen. Bislang profitieren jedoch vornehmlich Großbetriebe von den Geldern der GAP, die auf „Masse statt Klasse“ setzen, während gleichzeitig ein Höfesterben bei den kleinen und mittleren Betrieben zu verzeichnen ist.

 

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten angeregt diese Problematik und beteiligten sich rege an der 114-Euro-Aktion des NABU. Diese Summe entspricht den Steuergeldern, die jeder EU-Bürger jährlich für die GAP aufwendet. Auf Postkarten kann nun jeder vermerken, wie er seinen Beitrag verwendet sehen möchte. Diese Postkarten werden durch den NABU-Bundesverband gesammelt und anschließend den EU-Parlamentariern pressewirksam übergeben.

 

Den zweiten Vortrag des Abends hielt der Biologe Rainer Borcherding zum Thema Insektensterben. Auch hier ist ein dramatisches Artensterben zu verzeichnen, das nicht zuletzt mit dem Rückgang der Vogelarten in engem Zusammenhang steht, denn Insekten sind die Lebensgrundlage für viele Vögel. Insekten sind aber auch unersetzlich als Blütenbestäuber, und ihr Verschwinden gefährdet die Vielfalt der Pflanzen. Zudem sind Schmetterlinge, Hummeln und viele andere Insekten eine Bereicherung unserer Umwelt und ihr Fehlen fällt immer mehr Menschen auf – nicht nur, weil die Windschutzscheiben der Autos sauber bleiben. Das Verschwinden der Insekten um grob geschätzt drei Viertel in den letzten Jahrzehnten beruht überwiegend auf den Pestiziden der Landwirtschaft und der Vernichtung von Kleinlebensräumen durch Überdüngung und „Aufräumen“. Es fehlen blumenreiche Wegränder, alte Bäume, Tümpel und Feldgehölze.

 

Wer etwas für den Schutz der Insekten tun möchte, sollte verstärkt ökologische Lebensmittel kaufen und den eigenen Garten insektenfreundlich gestalten. Neben heimischen Pflanzen und Nisthilfen für Insekten sind auch alte Bäume sehr wichtig für die Artenvielfalt. Kranke Bäume sollten niemals ganz entfernt werden, sondern ein möglichst großer Teil des Stammes sollte stehen bleiben. Spechte, Kleiber, Holzinsekten und Baumpilze können noch jahrelang in einem alten Baum leben, der ohne Äste keine Gefahr mehr für Passanten darstellt.

 

Im Anschluss an die beiden Vorträge kamen noch verschiedene Fragen aus dem Publikum, insbesondere zur Artenvielfalt von Grünländern, die oftmals umgepflügt und sehr artenarm neu eingesät werden. Auch hier wurde deutlich, dass die Landwirtschaft über Jahrzehnte durch Lobbyinteressen der Agrarindustrie in eine Richtung gedrängt wurde, die weder der Natur noch den Landwirten oder der Gesellschaft dient. Eine Agrarwende in der EU ist dringend nötig. 


Mehr zum Thema:

https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/index.html